Positionspapier CH2emnitz Wasserstoff in der kommunalenWärmeplanung

Liebe Menschen in Chemnitz und Umgebung, sehr geehrte Politiker*innen,

vor einigen Tagen hat das Umweltinstitut München einen offenen Brief [1] an alle Bürgermeis­ter*innen in Deutschland versendet, der von über 200 Klima- und Verbraucherschutzgruppen unterzeichnet wurde. In diesem Brief wird anschaulich dargelegt, weshalb Wasserstoff keine ökologische und erst recht keine wirtschaftliche Alternative für Einzelgebäudeheizungen ist.

Obwohl über diese Erkenntnis in der Forschung und in unabhängigen Fachkreisen Konsens besteht [2], versuchen einige Lobbygruppen und Gasnetzbetreiber mit aller Kraft diese Vorstellung am Leben zu erhalten – unter anderem auch der Chemnitzer Regionalversorger eins energie. Dort werden aktuell im Projekt Transformation 2045 [3] verschiedene Szenarien für den Weg zur Klimaneutralität erarbeitet. Diese sind nicht nur für eins energie und deren Kunden elementar, sondern im Rahmen der kommunalen Wärmeplanung auch für alle Gemeinden in der Region Südsachsen. Bisher wurden noch keine Zwischenergebnisse des Projekts veröffentlicht, aber es verdichten sich die Anzeichen, dass auch eins auf den Zug der fossilen Gasindustrie aufspringt und die hiesigen Erdgasnetze länger als nötig vollständig beibehalten möchte.

Wir machen dies an folgenden Indizien fest:

  • Auf der Webseite von eins [4a] wird die Darstellung des Lobbyverbands H2vorOrt übernommen, nach der Kommunen zur Dekarbonisierung einfach Erdgas durch Wasserstoff ersetzen könnten, obwohl dies im krassen Widerspruch zum Konsens der Energieforschung steht. Dass die Alternative – die direkte Elektrifizierung, z.B. mit Wärmepumpen – in fast allen Fällen deutlich günstiger, schneller und ökologischer umsetzbar wäre, ist auf der Webseite von eins nicht ersichtlich. Hier werden die eigenen Kunden in eine Kostenfalle gelockt.
  • Darüber hinaus ist eins Mitglied im Verband Zukunft Gas. [4b] Nachdem im letzten Jahr
    Recherchen von Correctiv und eine Kampagne von Lobbycontrol offenlegten, wie deutsche
    Stadtwerke in diesem Verband Lobbyarbeit für die fossile Gasindustrie finanzieren, sind viele
    Stadtwerke ausgetreten. [4c] Eins hingegen hält auch auf Nachfrage an der Mitgliedschaft fest,
    während andere Energiewende-Verbände (z.B. der Bundesverband erneuerbare Energien oder
    Bundesverband Wärmepumpe) nicht unterstützt werden.
  • Auf verschiedenen Veranstaltungen und in persönlichen Gesprächen betonten führende Vertreter*innen von eins die Schwierigkeiten eines Szenarios mit flächendeckender Elektrifizierung, ohne die noch viel größeren Herausforderungen der Wasserstoffversorgung zu erwähnen. Es fiel auch die Aussage, dass die Zukunft der Gebäudewärme ohne Gasnetze für nicht vorstellbar gehalten werde, während andere Städte wie z.B. Hannover [5] genau das nach gründlicher Prüfung in der abgeschlossenen kommunalen Wärmeplanung als sinnvollste Dekarbonisierungsoption erachten.
  • In der Debatte um den Wasserstoff-Kernnetzanschluss kommunizierte eins für die eigenen Heizkraftwerke einen Bedarf von jährlich 1.000 GWh Wasserstoff in der ersten Hälfte des kommenden Jahrzehnts. Dies geht weit über den Bedarf hinaus, den bisher zwei Chemnitzspezifische Studien [6] für das Jahr 2045 festgestellt haben (56-242 GWh). Alle deutschen Klimaneutralitätsszenarien sehen Wasserstoff in der Fernwärme, wenn überhaupt, nur zur Spitzenlastabdeckung und nicht wie eins als zentralen Energieträger. Der kommunizierte Bedarf ist also viel zu hoch und dient anscheinend lediglich dem Zweck, der Öffentlichkeit ein Zielbild der Chemnitzer Fernwärmeversorgung zu präsentieren, dem es keine großen Änderungen zum Status Quo benötigt.
  • Im Projekt Transformation 2045 soll aus verschiedenen Szenarien das “wahrscheinlichste” ausgewählt werden, um darauf basierend einen detaillierten Transformationsplan zu erstellen. Hierfür sind insbesondere die Kosten in den verschiedenen Szenarien entscheidend, welche wiederum enorm von den getroffenen Annahmen zu Strom- und Wasserstoffpreisen abhängen. Ein Wasserstoff-Szenario kann nur dann wettbewerbsfähig sein, wenn mit sehr niedrigen Wasserstoffpreisen gerechnet wird. Eins weigert sich auch auf mehrfache Nachfrage, diese Annahmen bekannt zu geben. Das deutet für uns klar darauf hin, dass hier versucht wird, ein gewünschtes Ergebnis herbeizurechnen.

Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist die Strategie von eins und inetz nachvollziehbar: Umso mehr Kunden sich für Wärmepumpen entscheiden, umso weniger Gewinne können mit dem Gasnetzbetrieb erzielt werden und der Wert des einst teuren Gasnetzes nimmt rapide ab. Außerdem entstehen viel Aufwand und Kosten für die notwendige Verstärkung des Stromnetzes, um die vielen neuen Verbraucher im Wärme- und Mobilitätssektor technisch integrieren zu können. Da erscheint es deutlich bequemer, einfach das bestehende Gasnetz weiter zu nutzen. Die Rechnung dafür tragen dann aber letztendlich die jeweiligen Kunden, für die die Heizkosten in extreme Höhen steigen werden und das Klima, wenn nicht ausreichend grüner Wasserstoff zur Verfügung steht.

Was können engagierte Bürgerinnen und politische Entscheidungsträgerinnen gegen diese Gefahr für Chemnitz und die Region tun? Wir halten es an erster Stelle für wichtig, die Debatte überhaupt in Gang zu bringen. Egal ob auf politischer Ebene oder im Gespräch mit dem Energieversorger: Nur wenn wir offen und faktenbasiert diskutieren, können wir gemeinsam gute Lösungen finden.

Aber es gibt noch einen weiteren, viel entscheidenderen Hebel: Die Kommunale Wärmeplanung. Bis 2026 müssen alle Großstädte (Kleinstädte bis 2028) einen Plan vorlegen, in dem dargestellt wird,
welche klimaneutrale Heizungsoption zukünftig in welchen Teilen der Stadt vorliegen soll. Werden dort Wasserstoffgebiete ausgewiesen, führt das zu enormen Kostenfallen für die ansässigen Bürger*innen.
Dann dürften dort auch nach 2026 noch neue Erdgasheizungen verbaut werden, was für Laien erstmal attraktiv wirkt. Jedoch werden die Kosten zum Betrieb einer Gasheizung mittel- und langfristig stark steigen. Ein steigender CO2-Preis, der teilweise ab 2029 verpflichtende Einsatz von Biomethan [7] oder der Umstieg auf Wasserstoff verteuern den Brennstoff gegenüber dem heutigen Niveau immens. Zudem müssen die Kosten für den Gasnetzbetrieb auf immer weniger Kunden verteilt werden, wodurch auch die Netzentgelte deutlich steigen werden.

Daher appellieren wir an Sie: Setzen Sie sich dafür ein, dass in der kommunalen Wärmeplanung keine Wasserstoffgebiete ausgewiesen werden. Diese bieten keine Perspektive für einen wirtschaftlich effizienten Weg zur Klimaneutralität und tragen lediglich dazu bei, fossile Geschäftsmodelle länger am Laufen zu halten.

Gleichzeitig sprechen wir uns für mehr Unterstützung unseres lokalen Energieversorgers aus. Dieser steht vor historischen Herausforderungen und Veränderungen, sodass die bisherige Erwartungshaltung – hohe Gewinnausschüttungen als Quersubvention für den ÖPNV – nicht ewig beibehalten werden kann. Für den Weg zur Klimaneutralität sind große Investitionen nötig, von denen wir alle langfristig viel mehr profitieren werden als von kurzfristigen Gewinnen.

Lassen Sie uns gemeinsam dafür einsetzen, dass wir den Weg zur Klimaneutralität so schnell und so wirtschaftlich wie möglich gehen.

Fridays for Future Chemnitz
Students for Future Chemnitz
Parents for Future Chemnitz

Das Anliegen wird unterstützt von:
Prof. Dr. Josef Lutz, TU Chemnitz
M.Sc. Maximilian Stahlhut, TU Chemnitz
M. Sc. Dominik Güther, SBZ Grüne Energiekonzepte
STZ Energie und Umwelttechnik, Dr. Thomas Freitag
M.Sc. Patrick Schönknecht, Energietechnik-Ingenieur
Bürgerinitiative i.G. „Holzkraftwerk Chemnitz“

Quellen:
[1] https://umweltinstitut.org/wp-content/uploads/2024/03/Offener-Brief_Kostenfalle-
Wasserstoff_05.pdf
[2] https://www.cell.com/cell-reports-sustainability/pdf/S2949-7906(23)00010-1.pdf
[3] https://gemeinsam.eins.de/uploads/758662ed-fe73-41ad-8616-
6e601fe452f8/project_file/file/de7a49fd-a5ad-401d-b8b5-
acf63ae929b8/C_Projekt_Transformation_2045.pdf
[4a] https://www.eins.de/ueber-eins/blog/mit-wasserstoff-zur-klimaneutralitaet
[4b] https://gas.info/verband-zukunft-gas/mitglieder
[4c] https://www.lobbycontrol.de/lobbyismus-und-klima/gaslobby-wie-zukunft-gas-die-stadtwerke-
einspannt-109387
[5] https://www.energie-und-management.de/nachrichten/energieerzeugung/detail/hannover-ist-
erste-niedersaechsische-kommune-mit-waermeplanung-206795
[6] https://threadreaderapp.com/thread/1736395235649831282.html
[7] https://www.energiewechsel.de/KAENEF/Redaktion/DE/FAQ/GEG/faq-geg.html